Auf dem Weg nach Hause

Ich gehe die Strasse entlang, passiere ein Fitnessstudio und betrachte all die teuren Autos auf dem Parkplatz davor. Ein schwarzer Mercedes mit glitzernden Felgen und tiefer gelegtem Heckspoiler.

Ein schwitzender Zwölfpfünder mit aufgeblasenen Pfusibacken keucht kurz vor dem Zusammenbruch auf dem Laufband um sein Leben. Die Arbeit war streng, das Ego ist gross. Zu Hause wartet eine Familie, die weder das Fitnessstudio noch seine Arbeit wertschätzt. Neben ihm beugt sich die kleine Blonde mit den rosa Hotpants und dem frisch frisierten Rosschwanz vor, um erneute Turnübungen in Angriff zu nehmen. Er entschliesst noch ein wenig weiter zu laufen, da die Motivation rechts von ihm zur Hochform aufläuft; die Familie wird es verstehen.


So gehe ich weiter und sitze Minuten später im Schnellimbiss wo ein alter Mann darauf wartet, dass sein Sandwich kleiner wird. Seine Hände sind zittrig und bedienen ungeübt ein Mobiltelefon, welches er von seiner Enkelin zu Weihnachten bekommen hat damit er sie wieder öfters sprechen kann, seit sie im Ausland studiert. Er zählt seine Rente im Portemonnaie und wird wohl eine Bank ausrauben wenn sich kein Engel mit Bargeld neben ihn setzt. Er schiebt seine alte Filzmütze tiefer ins Gesicht. Wie gerne würde er nach Hause zu seiner Familie die auf ihn wartet.
Noch leicht hungrig mache ich mich auf den letzten Kilometer zu meiner Wohnung. Als Student liegen die eigenen vier Wände nicht im Nobelviertel; doch an die Alkoholleichen im Hauseingang gewöhnt man sich. Manchmal bleibt sogar eine ganze Flasche Schnaps übrig, die so leicht aus den schlafenden Armen des Betrunkenen zu fischen sind. Ein Häuserblock weiter durchkreuze ich das Viertel mit den netten Schaufensterdamen, die jedes Mal freundlich zuwinken und einen gerne auf ein kleines Schwätzchen einladen würden. Sie sehnen sich nach Zuneigung; so steht es zumindest in ihrem Jobprofil. Ich winke freundliche zurück und denke daran, wie unangenehm mir diese Arbeit wäre. Den ganzen Tag wildfremden Menschen mit den eigenen Gliedmassen zuwinken zu müssen; das ist anstrengend. Wer wohl die Zeit findet hier eine Weile abzusteigen? Die Poststellen und die Einkaufsläden machen gleich zu; ich würde dies nicht alles unter einen Hut bringen. Aber wahrscheinlich haben die alle Hausmädchen, die solche Sachen für sie erledigen. Auf jeden Fall sieht der Wagen vor dem Gebäude teuer aus. Schwarzer Mercedes mit glitzernden Felgen. Die Familie hat mit Essen begonnen während der tiefer gelegte Heckspoiler noch ein paar Mal auf und ab hüpft.
Ich komme in meiner Wohnung an und verschliesse die Türe hinter mir. Wenn ich einmal grosse bin werde ich weder ins Fitnessstudio gehen noch Menschen freundlich zuwinken; warum sollte ich auch?

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