Der Moment

Ich liebe den Zustand wo man den vollen Durchblick hat. Obwohl dieser Anfangssatz eine, grammatikalisch und poetisch betrachtet, ziemlich miese Falle macht, gibt es keine besseren Momente im Leben. Lassen Sie es mich Ihnen beweisen.
Ich kam gerade von der Arbeit nach Hause und verfluchte den Planeten und ihre verkorksten Mitbewohner. Der Kopf war müde vom Denken, die Schultern schwer vom Kaffeeheben und dann wieder absetzen. Der Fernseher lief im Hintergrund, die Waschmaschine surrte hinter der verschlossenen aber nicht schalldichten Türe und irgendwo lief Musik, obwohl ich gar keine Stereoanlage besitze (habe mir aufgeschrieben, dass ich dem noch nachgehen muss). Du sitzt am Tisch und starrst mit glubschigen Augen aus dem Fenster. Dein Gehirn ist im Katerzustand und die Frage ob dies für den Rest deines Lebens so sein wird geistert irgendwo an der staubigen Decke herum.
Da bemerkte ich, dass der Fernseher verstummt ist und die Waschmaschine irgendwo hinter einer Schalldichten Türe verschwunden war. Nur leise waren noch ein paar langsame Gitarrenriffs in der Ferne zu hören, so wie der Wind nachlässt und die Sonne unaufdringlich hinter den Sturmwolken hervorkommt. Deine zugeschnürte Brust befreit sich von dem Stein, der wie ein nasser Schwamm deine Energie aufgesaugt hat und die Gedanken kommen in klaren, einfachen Sätzen wieder in deinen Kopf zurück. Alles erscheint so logisch, so überwindbar, so verschlossen und nun bereit geöffnet zu werden. Weder die Probleme deines deprimierenden Tages noch die Sorgen welche sich über Jahre erstrecken haben einen Hauch von Beständigkeit gegen deine Sorglosigkeit, die dich wie eine Schutzschicht vor allem bewahrt, was nun kommt und in Zukunft kommen wird.
So sitze ich vor dem Fenster, schaue hinaus und kann es manchmal kaum glauben, wie genervt und motivationslos ich in die Tage lebe, die niemals wieder kommen werden! Ich verschwende meine persönlichen, natürlichen Ressourcen, um auch noch ein aktuelles Thema in die Geschichte mit einzubeziehen.
Da klingelt das Telefon, der Fernseher lässt mich mit voller Lautstärke rückwärts aus dem Stuhl fallen und die Waschmaschine tanzt gerade einen leidenschaftlichen Tango mit dem Trockner. Die Brust schnürt sich zu, der Kopf wird schwer und ich verfluche diesen elenden Planeten mit seinen zu dämlich geratenen Mitbewohner, die jeden Morgen nur darauf warten mir den Tag zu vermiesen; ja ich liebe ihn, diesen Moment!

PS: Ich habe es schon mehrmals angefügt und tue es hier gerne wieder. Ich weigere mich DAS Moment zu sagen, obwohl es grammatikalisch korrekt werde; doch DER Moment klingt poetischer!

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