Deckenbilder

Es ist wieder einmal Zeit, den kleinen Ärgernissen des Alltags den Kampf anzusagen. Ich klebte gerade das letzte Photo ins Bilderalbum und legte mich erschöpft auf den Rücken. Ich studierte die weisse, kahle Decke und meinte, einen kleinen Hasen mit einem Gehstock zu sehen. Der Osterhase wird auch nicht jünger, bemerkte ich so ganz beiläufig, als sich das Gemälde auszuweiten begann.  Formen, Farben, Gestalten, Kreaturen, Bildnisse von Dimensionen die ich meiner langweiligen Decke nicht zugetraut hätte, begannen sich vor meinem Auge zu entwickeln. Wie wenn man zu lange in die Sonne blickt und sich danach die Umrisse der Umgebung bei schliessen der Augen vor einem abspiegeln, sah ich all die Photographien, die ich soeben fein säuberlich sortiert und eingeklebt hatte. Ein kleiner Junge mit strahlendem Gesicht. Die Welt kümmert ihn nicht, solange der Unterricht heute ausfällt. Ein lückenhaftes Grinsen, das sich mit den Jahren in einen ernsten, monotonen Gesichtsausdruck verwandelt hat. Rebellische Augen haben dumpfe, müde Formen angenommen. Die Welt kümmert ihn, auch wenn er das nicht zugestehen kann. Naive Gedanken sind nicht mehr länger ein Bestandteil der Tage, die wie Sommernachtsträume in Erinnerung blieben. Mit einem wirren Kopf erhob ich mich, verstaute das Album in den neu gekauften Schrank und stapfte in die Küche, wo eine leere Tasse auf den nächsten Kaffee wartete. Das Radio verkündete die neusten Nachrichten, was auf dem Globus gerade geschah... die Meldung, dass der Unterricht ausfallen würde, blieb aus!

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