Shrimphäppchen

Feudales Geschwätz betörte meine Ohren, als ich mich wortkarg und unauffällig ans Meeresfrüchtebuffet schlich. Bei den Shrimps war dann jedoch schon Endstation und die junge Blondine meines Chefs nahm Blickkontakt mit mir auf. Ich müsste die Schalentiere ignorieren, um dem Hummer den Vorzug zu geben. Anscheinend hatte sie in Biologie einen Fensterplatz, doch ich wollte hier nicht widersprechen. Sie berichtete mir mit zwei aufgemalten Sorgenfalten über die Konjunkturschwankungen und den Zerfall des Hypothekarzinses. Bejahend und beipflichtend legte ich meine Stirn in tiefe Besorgnis und ergatterte mir mit einer geschichtsträchtigen Reflexbewegung doch noch das letzte Shrimphäppchen. Es folgte kühler Weisswein aus einer Ortschaft, die wohl ohne Vokale auszukommen scheint und exotischem Bier, welches meiner bescheidenen Persönlichkeit mächtig Eindruck schindete.
Eine mit Siegelringen behaarte Hand legte sich um die Schulter der Schalentier-/Wirtschaftsexpertin. Ein gewinnbringendes Lächeln flog gleichzeitig in meine Richtung und der Moment, dem ich unbedingt entgehen wollte, traf ein. Mein Chef, der sich gerne charmant und weltoffen gibt, begrüsste mich im Namen der ganzen Firma und dankte mir für das gepflegte Erscheinen. Er hatte meinen letzten Auftritt wohl noch nicht vergessen. Ich machte gute Miene zu bösem Spiel und bedankte mich im Namen der Firma für die Einladung und das variantenreiche Schlachtfeld aus dem Ozean. Nettigkeiten wurden förmlich ausgetauscht, bis das Rednerpult freigegeben wurde. „Es ist mir eine Ehre, heute Abend all meine treuen Mitarb...“ und da war ich auch schon bei der Garderobe angekommen. Das Personal wunderte sich noch über meine ordinäre Filzjacke, als die Türe schon hinter mir zuschlug.
Ich setzte mich in eine Bar am anderen Stadtende und trank ein Bier von Format; ich konnte sogar den Herstellungsort aussprechen.

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