Start-Ziel Debakel

Ich könnte noch schnell etwas zu Essen einkaufen, dachte ich mir ohne Zeitgefühl am Handgelenk. Ich machte also einen kleinen Umweg und als beim Lebensmittelgeschäft ankam, stand mein Festessen praktisch schon auf dem Tisch – gedanklich jedenfalls. Genauso gedankenlos klatschte ich ungebremst in die Scheibe. Diese automatischen Schiebetüren sind auch nicht mehr das, was sie noch vor kurzem waren. Zu deren Verteidigung muss man allerdings festhalten, dass der Laden noch geschlossen hatte.
Jetzt befand ich mich in der Situation, die noch in meiner „niemals tun bevor pensioniert“ Liste fehlte. So gehörte ich nun unweigerlich zu der Gruppe, die schon zehn Minuten vorher auf die Öffnung des Geschäfts wartete. Taktisches Vorgehen war nun gefragt. Im Rennen um die Pole Position kämpften ein älterer Herr mit kariertem Einkaufswagen auf Rädern, eine runzlige Dame mit wirrem Blick und Stock und ICH. Es würde nicht einfach werden, so viel stand fest.
Ich würde mich entfernen, um dann aus dem Windschatten hervorzupreschen, vorbei an Stock und Einkaufswagen in den Laden. Ein Siegestanz und ein Korb voller Esswaren später sässe ich mit vollem Bauch zu Hause. So viel zur Theorie.
Noch eine Minute. Ich entfernte mich so auffällig wie nur möglich und begab mich in Lauerposition. Noch 10 Sekunden... meine Startposition glich einem Sprinter auf höchstem Niveau. 1 Sekunde. Ich sprintete Hals über Kopf los, machte eine Vierteldrehung im Flug, überholte die Dame und sah Gold vor meinem Auge glitzern – ungebremst krachte ich in den Orangenstand, überschlug mich circa vier Mal und kam bei der Blumentopferde zum liegen. Der alte Mann spazierte an mit vorbei, lächelte niederträchtig und strich sich einen ungefährdeten Start-Ziel Sieg ein.
Ich lag noch eine ganze Weile da und analysierte mein Rennen. Die Unerfahrenheit und die klimatischen Bedingungen waren klare Nachteile, ansonsten konnte man mir nicht viel vorwerfen. Ich ass an diesem Abend lediglich eine Orange... sie schmeckte bittersüss!

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