Bibers Reisebericht
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- Erstellt: Montag, 18. August 2008 18:40
- Geschrieben von Eric Trinkler
Ich bestieg den Greyhoundbus, als mich dieses mulmige, vertraute Gefühl wieder überkam. Wie war das noch letzten Sommer; 21 Stunden die Beine gegen den vorderen Sitz gequetscht um dem klangvollen Schnarchen des schwitzenden Sitznachbars zu lauschen.
Es gibt ja drei Sorten von Busreisenden: Der Schnarcher, die Labertasche und der Komiker. Letztes Mal zog ich die Deppenkarte und erhielt eine Kombination von all denen in einer haarigen Persönlichkeit vereint. Nach dem Eröffnungswitz folgte ein Vortrag über sein Leben, welches sich so spannend las wie die Bedienungsanleitung fürs Steuerformular. Nachdem ich mir die Kopfhörer aufgesetzt hatte und dabei einen Ohrenschaden ohne zu zögern in Kauf nahm, schlief er allmählich ein.
Er schnarchte nicht... es war vielmehr ein Ringen nach Luft, mit stöhnenden Zwischenstopps kombiniert. Das klingt jetzt vielleicht lustig oder nicht so dramatisch, aber man kann schon auf den einen oder anderen Gedanken kommen, auf wie viele verschiedene Arten man einen Mensch töten könnte. Ich zählte hundertdreissig.
Diesmal hatte ich aber Glück und der Bus war nur spärlich besetzt. Die Fahrt würde theoretisch 2 1/2 Stunden gehen. Da wir aber mit den USA in Kooperation traten wurden es 4 daraus. Kaugummi kauend und mit einem herabwürdigenden Kopfnicken winkte mich der Zöllner zu sich. Der folgende Kommentar entstand: (Hat wirklich so stattgefunden... keine Übertreibung)
Zöllner: Canadian? (ich hatte ihm den Pass vorgelegt)
Ich: Yeah
Zöllner: Why? (gähnte ausgiebig).
Ich: Why not. (Warum bist du ein arrogantes Burgergesicht mit Minderwertigkeitskomplex? - hab ich dann nicht gefragt)
Zöllner: Why do you come to the States?
Ich: To visit Seattle.
Zoellner: Why?
Ich: Why not. (seine Miene wurde säuerlich und da beschloss ich, mich nicht mehr dumm zu stellen. Es mussten ja auch noch andere Leute abgefertigt werden)
Zöllner: Any familiy members?
Ich: Yes. (er meinte natürlich in Seattle, aber der musste jetzt noch
sein).
Zoellner: How long? (meinte er jetzt die Länge meines Familienstammbaumes?)
Ich: Couple of days.
Zöllner: Enjoy (reichte mir den Pass und einen bedrohlich Blick)
Wortkarg und patriotisch würde ich ihn jetzt beschreiben. Humor scheint nicht seine stärkste Seite zu sein... macht ja nichts. Warum kann ich nicht einer dieser Spezies neben mir im Bus oder Flieger haben? Wäre wohl zu langweilig. Mir taten dann die zwei Deutschen leid (welche ich dann später im Hostel getroffen habe). Die mussten noch zum zweiten Weltkrieg Stellung nehmen und ihre Mitwissenschaft im Naziregime wiederlegen (kein Witz. Die bekamen ein grünes Formular, wo sie gefragt wurden ob sie von 1939-1943 im Naziregime
tätig waren).
Ich war endlich in Seattle...
Als ich vor einigen Tagen die Wegbeschreibung zum Hostel las, erwähnte niemand, dass ich die ganze Stadt durchqueren müsse um von der Busstation zu meiner Unterkunft zu kommen. Just a couple of blocks hiess es... dieses just dauerte 50 Minuten in brütender Hitze. Zugegeben, es hatte nur 20 Grad, aber mein Körper war immer noch damit beschäftigt die Frostbeulen des letzten Winters loszuwerden.
Gut vorbereitet stellte ich mich an die Rezeption und wartete auf das charmante Mädchen,
das mich sogleich bedienen sollte. Die Laune stieg so schnell wie sie wieder in den Keller fiel. Ich kriegte den bekifften Brillenträger mit Mundgeruch. Die Formalitäten waren geklärt und ich entschied mich zum Pike Place Market hinunterzugehen, um einen Bissen zu essen. Da liefen mir die zwei Kriegsveteranen vom Zoll wieder über den Weg und wir kamen ins Gespräch. Es sollten die ersten Deutschen sein, mit denen ich nicht ständig das Gefühl hatte, sie würden gleich zum nächsten Ballermannhit anstimmen. Wie so oft wurde ich (glücklicherweise) eines Besseren belehrt.
Ich könnte Sie jetzt mit den Einzelheiten der Sightseeingtour langweilen, doch vielmehr ist es mir ein Anliegen, Ihnen die nicht-touristischen Momente meines Seattleaufenthaltes näher zu bringen. Nicht ganz freiwillig erwachte ich um sieben Uhr in der Früh und beschloss, der Stadt beim Erwachen zuzusehen.
Eine dicke Nebelwand hing über der Bucht des pazifischen Ozeans, als ich am Markt entlangschlenderte wo die Menschen emsig ihre Stände aufbauten. Nur der Starbucks hatte schon offen und als Kaffeesüchtiger liess ich mich nicht zweimal bitten. Ich betrat den ersten Starbucks (1971 eröffnet). Nur das ursprüngliche Starbucksbraun (heute grün) und der alte Holzboden liessen noch auf die Gründung hindeuten. Doch immerhin war ich im Mekka des kommerziellen Kaffeevertriebes und bestellte mir nach einer gekonnten Kunstpause und einem zeitgewinnenden „ähhh“ meinen üblichen „Grande coffee.... dark roast... what’s that? Yes, please room for cream” zum mitnehmen. Ich setzte mich in den Park am Hafen, mampfte meinen Blueberrymuffin und schlürfte den historischen Kaffee.
Letzten Abend hatte ich noch den Tipp bekommen, die Underground-Tour zu machen. Was viele nicht wissen ist, dass das heutige Seattle auf der ehemaligen Gründungsstadt gebaut ist. Wer daran interessiert ist, wie ich die Menschen kenne sind es alle, dem stelle ich noch einen Link in der untenstehenden Legende zur Verfügung. Der Abend brach schon langsam herein, als wir uns auf die Suche nach der Bubblegumwall machten. Anscheinend waren wir die einzigen, die diese „Sehenswürdigkeit“ kannten und somit verstrichen fast zwei Stunden. Wir hatten uns aber in dieses klebrige Abenteuer verbissen und gaben uns so leicht nicht geschlagen. Die überfreundliche Dame im Informationszentrum blickte uns schon ein wenig ratlos an, aber dem neutralen Charme eines Schweizers konnte sie dann doch nicht wiederstehen und fand die Adresse für uns. Insgesamt begutachteten wir die Wand etwa zehn Sekunden; doch die Mission war erfolgreich. Am Nächsten Morgen (wieder gegen sieben Uhr) schlich ich mich heimlich aus dem Hostel und verewigte mich noch mit einem Trident-Kaugummi (Pfefferminzgeschmack) auf der Wand. Die Hände gewaschen und schon fast bereit für die Heimreise, holte ich mir noch frisches Obst für die Heimreise – der Zöllner
konnte kommen...
Warum Zöllner einen Groll gegen mich hegen und der einfache Grund, Greyhoundbussen doch nicht zu trauen, lesen Sie im nächsten Reisebericht. Bis dahin wünsche ich Ihnen einen ereignisreichen und mit Überraschungen vollbepackten Alltag.
Des Bibers Reisebericht
von Eric Trinkler
Things to do:
-Seattle Underground Tour: (Empfehlenswert)
http://en.wikipedia.org/wiki/Seattle_Underground
http://gocalifornia.about.com/cs/waseattle/a/waseaundertour.htm
-Pike Place Market: (Empfehlenswert für alle Träumer und kulinarische Fischesser)
Die beste Zeit ist früh Morgens, wenn es noch fast keine Menschen hat und man ungestört durch die zahlreichen Stände mit frischen Esswaren und handgemachten Eigenheiten schlendern kann.
-Space Needle: (für waschechte Sightseeingtouristen)
Die grösste Touristenattraktion von Seattle ist der berühmte Turm, welcher für die Weltausstellung 1962 gebaut wurde. Man hat eine wunderschöne Aussicht über die Stadt und den Hafen. Kurz vor dem Eindämmern kommen Hobbyfotographen voll auf ihre Kosten (vorausgesetzt das Wetter spielt mit).
Experience Music Project: (sehr empfehlenswert)
Nirvana, Pearl Jam usw. Zwei Bandgrössen aus Seattle die den Grunge miterlebt und mitgeprägt haben. Eine sehenswerte Ausstellung über die Geschichte des Rocks mit spielerischen Elementen. Für alle hartgesottenen Rock- und Musikfans ein Muss. Aber seht selber.
http://en.wikipedia.org/wiki/Experience_Music_Project
Es gibt noch viele andere Dinge zu sehen, wie das Aquarium. Seattle ist auf jeden Fall eine Stadt die man gesehen haben muss!