Literatur Literatur

Modefaultier

Meinen Regenmantel lasse ich heute zu Hause, um pitschnass am Arbeitsplatz zu erscheinen.. Ich schreibe mit einem stumpfen Bleistift eine unleserliche Notiz und hänge sie mir als Motivation an die Pinnwand. Ich trinke den Kaffee erst Abends, kurz vor dem schlafen gehen und stelle mir den Wecker um drei Uhr in der Früh. Meine Art der Rebellion Als ich gestern in einen Laden ging, um mir einen Wintermantel zu besorgen, wurde mir schonungslos aufgezeigt, dass Mode bis in die untere Schicht vorgedrungen ist. Ich fragte die Verkäuferin nach einem schwarzen Filzmantel, ohne irgendwelche Extras. Sie lachte mir ins Gesicht, wischte sich eine Träne ab und merkte erst dann, dass es mir ernst war. Ich hätte die Trends des Jahres wohl noch nicht genauer studiert: stimmt, hatte ich nicht. Ich liess mich auf das Niveau eines Modeschöpfers ein und liess mir die angesagtesten Erscheinungen vorführen. Das erste Modell könnte seine Entstehungsgeschichte folgendermassen gehabt haben: Der Designer hat sich einen entspannenden Filmeabend gemacht und sich ?Einer flog übers Kuckucksnest? angeschaut. Er bekam eine Idee für die Models, welche seine neue Kollektion vortragen würden. Die Farbenkombination hat er sich wahrscheinlich bei seiner letzten Nasenschleimentzündung abgeschaut und der Schnitt liess auf einen bierseligen Abend hindeuten. Als die Verkäuferin mir den zweiten Mantel unter die Nase heilt, lachte ich ihr ins Gesicht, wischte mir eine Träne ab, da merkte ich erst, dass es ihr Ernst war. Ich werde die Wintermonate auch mit meiner Herbstjacke überstehen, die ich einem wohl gescheiterten Designer zu verdanken habe: sie ist schwarz. PS: Es ist nichts gegen Mode einzuwenden, solange man den Trend dabei weglässt!

Dein Leben

Kuriositäten gibt es überall. Doch die grösste ist dein eigenes Leben. Was bringt dich zum weinen? Wann fühlst du dich ausgeglichen? Vielleicht beides am selben Tag, vielleicht keines von beiden für Wochen. Du sitzt zu Hause mit Fernweh in der Brust, während dein Nachbar endlich wieder einmal nach Hause zurückkehren will. Du liegst Nachts im Bett und deine Augen starren Löcher in die Decke. Du hast Angst vor dem Morgen, du bist erleichtert, dass der heutige Tag zu Ende geht: doch schlafen kannst du nicht. Alles sieht so leicht aus, wenn es ein anderer tut, alles fällt so schwer, wenn man selber mit etwas beginnen will. Erfolge pflastern deinen Lebensweg, doch du bist unglücklich. Du weißt nicht wie es weitergehen soll, doch du fühlst dich erleichtert, keine Verantwortung zu haben. Rechtfertigen müssen wir uns immer wieder aufs Neue. Ideenlosigkeit hält über Monate an, du bist charakterschwach. Dein Gesicht ist ein Spiegel, mit dem du durch die Strassen läufst. Dein Körper eine Skala, die stündlich neu bewertet wird. Bist du es leid? Habe ich heute keine Lust zu kämpfen? Ich sehe geschwächt aus. Du hast dunkle Ringe unter den Augen: ich habe die ganze Nacht darüber nachgedacht, warum ich nicht schlafen kann. Wieder ist ein Jahr vergangen. Ich habe erst kürzlich gelacht, weniger gedacht als auch schon. Ich bin glücklich, es ist zum weinen. Begreife ich vielleicht Übermorgen, warum alle etwas von mir erwarten? Du kannst tun und lassen was du willst im Leben... nur nicht in deinem eigenen!

Im Flugzeug

Es herrschte dichter Nebel auf der Landebahn, als das Passagierflugzeug startete. Zweihundert Menschen, tausend Gedanken, erhoben sich umgeben von schlechter Sicht. Die Nase des Flugzeuges richtete sich gegen Westen, die Nase meines Sitznachbarn in meine Richtung. Er habe sich kürzlich einen Schnupfen eingefangen. Ich quittierte es mit einem gequälten Lächeln und wusste genau, wo das hinführen würde. Das Lichtsignal über unseren Köpfen ging aus, mein erkälteter Freund hastete auch sogleich aus dem Sitz in Richtung Toilette. Diese Gelegenheit musste ich nutzen und fragte die Stewardess unverzüglich nach einer neuen Sitzgelegenheit. Nach kurzer und heftiger Diskussion, sass ich vier Sitzreihen weiter vorne im neuen Glück. Eine Studentin mit langem braunen Haar und einem zeitvertreibenden Lächeln strahlte mich an. ?Jackpot?, dachte ich mir und stellte mich unverzüglich vor. Ich erzählte ihr von meinen Reisen, von der Sehnsucht die Welt zu entdecken und meiner vielfältigen Bildersammlung. Sie quittierte es mit einem gequälten Lächeln. Ich entschuldigte mich für einen Moment und ging auf die Toilette. Als ich zurückkam, war das zeitlose Lächeln samt Körper vier Sitzreihen weiter hinten platziert. Ich blickte zurück und sah, wie sie meinem Ex-Sitznachbarn ein Papiertaschentuch reichte und dabei ihre Haare mit einem gekonnten Kopfschwung aus dem Gesicht schlug. Da sass ich nun und fragte mich unwillkürlich: ?Wann kommt das Essen?. Das Menü kam dann wenig später angerollt. Es hatte den gleich schlechten Geschmack wie die Studentin

Im Fahrstuhl

Ein Mann mit kurzen Hosen betritt einen Kleiderladen. Er drückt den Knopf und wartet geduldig auf den Fahrstuhl. Nach wenigen Sekunden ertönt ein einmaliges Leuchtsignal und die Tür wird automatisch geöffnet. Er betritt mit vorsichtigen Schritten das Innere und stellt sich mit dem Rücken zur Tür in den hinteren Teil des Aufzugs. Zwei Stockwerke später gesellt sich ein älterer Herr mit plattgedrücktem Haar und braunem Anzug zu ihm. Er schaut den Mann mit fragendem Blick an und sagt: - Warum stehen Sie verkehrt herum? - Dasselbe könnte ich Sie auch fragen. - Nein - Warum nicht? - Weil ich richtig stehe. - Sagt wer? - Sie stehen mit ihrem Rücken zur Tür. - Und Sie stehen mit dem Rücken zur Wand. Wer ist nun in der besseren Position? Es ist für einen Moment lang still. - Sie gehen wohl in die Hosenabteilung? - Woher wollen Sie jetzt das wieder wissen. - Ihre Hosen sind zu kurz. Daher kaufen Sie sich nun passende. - Meine Hosen sind nicht zu kurz. Mein Pullover ist nur zu lang. Daher gehe ich in die Pulloverabteilung. - Sie wissen wohl auf alles eine Antwort. - Ich beantworte nur höflich Ihre Fragen. Wieder Stille. - Wollen Sie wissen was ich mir kaufen werde? - Das weiss ich schon - Das glaube ich nicht. - Müssen Sie auch nicht. - Ich kaufe mir einen neuen Hut - Das wusste ich bereits. - Wenn Sie so schlau sind, dann raten Sie mal was ich noch kaufen werde. - Woher soll ich denn das wissen? - Sie wissen doch alles so ganz genau - Das habe ich nie gesagt. Die Tür geht auf und beide verlassen den Fahrstuhl.

(Ge)Rede

Wasser tropfte unablässig auf die Veranda, bis sich ein kleiner Bach bildete. Ich schaute mir gerade die Jahresrede an, welche im Bundeshaus vor Wochenfrist aufgezeichnet wurde. Anders kann ich mir die traurige Miene des Überbringers nicht erklären. Vor schalem Hintergrund quälte er sich in seinem Anzug durch die Sätze und sprach von Aufschwung. So wie das Wetter, befindet sich auch unser Land in einem Allzeithoch. Geld fliesst, wie das Wasser auf meiner Veranda, bis es in den Bach mündet und diesen dann hinab. ?Lückenloser Arbeitswillen durch die fachmännische Bereicherung unserer Nachbarn?. Wir heissen sie willkommen, geben ihnen einen warmen Empfang und machen ihren Auslandaufenthalt zu einem unvergesslichen Erlebnis. Wir winken ihnen auch jeden Abend hinterher, wenn sie zu ihrem Häuschen hinter der Grenze fahren. Beschweren müssten wir uns nicht. Bescheidenheit sei der Charakterzugs des Schweizers. Bescheiden war auch das Hochdeutsch, in dem er uns allen ein schönes neues Jahr wünschte. Ich wechselte den Kanal und schaute ein Fussballspiel. Die Auswärtsmannschaft gewann... dies störte mich doch ein wenig. Nicht weil ich es den Gästen missgönnt hätte: doch ausser dem Trikot war kein wesentlicher Unterschied auszumachen.

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